Paludikultur in Bad Bederkesa: Landwirtschaft trifft Klimaschutz
Moorböden landwirtschaftlich nutzen und gleichzeitig etwas für den Klimaschutz tun? Das geht. Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) macht es vor. „Produktketten aus Niedermoorbiomasse“ heißt das Pilotprojekt. Vor kurzem wurde die zweite von insgesamt drei Paludikultur-Versuchsflächen auf Niedermoorböden fertiggestellt: auf einer entwässerten Grünlandfläche an der Landesstraße 119 in Bad Bederkesa, nahe der Lintiger Schleuse. Die Testfläche ist die erste ihrer Art im Landkreis Cuxhaven.
Auf einem halben Hektar – die Fläche gehört dem NLWKN – wurden Anfang Mai jeweils mehr als 5000 breit- und schmalblättrige Rohrkolben sowie 2500 Stück gemeines Schilf gepflanzt. „Paludikultur, also die landwirtschaftliche Nutzung wiedervernässter Böden, ist eine große Hoffnung im Kampf gegen den Klimawandel“, erklärt Dr. Colja Beyer von der Kompetenzstelle Paludikultur im 3N Kompetenzzentrum Niedersachsen Netzwerk Nachwachsende Rohstoffe und Bioökonomie. Die Kompetenzstelle ist die zentrale Informationsstelle für Paludikultur in Niedersachsen. Sie hat das Vorhaben angestoßen und begleitet es als Kooperationspartner.
Mehr als ein Drittel der Treibhausgas-Emissionen aus der Landwirtschaft kommt aus organischen Böden – und das, obwohl diese nur sieben Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland ausmachen. „Die Moore in dem moorreichsten Bundesland Niedersachsen sind fast vollständig entwässert worden und werden meist landwirtschaftlich genutzt. Dadurch kommt es zu sehr hohen Treibhausgas-Emissionen“, weiß Beyer. Genau hier setzt die Paludikultur an: „Mit einer Wiedervernässung können wir den CO2-Ausstoß schnell verringern. Langfristig können vernässte Moorböden sogar Kohlendioxid aus der Luft aufnehmen“, sagt der Experte für Paludikulturen. „Wir haben hier also einen enormen Hebel, um etwas gegen die Erderwärmung zu tun.“
Auch die Politik ist sich der Bedeutung von Mooren für den Klimaschutz bewusst: Laut einer kürzlich geschlossenen Vereinbarung von Bund und Ländern sollen bis 2030 die jährlichen Treibhaus-Emissionen aus landwirtschaftlich genutzten Moorflächen um fünf Millionen Tonnen CO2-Äquivalente gesenkt werden. Das Projekt in Niedersachsen wird mit Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz gefördert.
Damit das Prinzip der Paludikultur funktioniert, ist es wichtig, dass der Wasserstand ganzjährig nahe der Bodenoberfläche gehalten und der Boden nicht gestört wird. So wird zum einen der Torfkörper erhalten oder sogar neuer Torf gebildet und zum anderen die Freisetzung von Treibhausgasen minimiert. „Für diese Form der Nutzung brauchen wir Pflanzen, die mit dauerhaft nassen Böden gut umgehen können. Schilf und Rohrkolben sind also ideal“, sagt Beyer.
An dem Vorhaben „Produktketten aus Niedermoorbiomasse“ sind mehrere Hochschulen und Unternehmen beteiligt, darunter auch das Thünen-Institut für Agrarklimaschutz. Die Wissenschaftler führen regelmäßig Messungen zum Treibhausgasaustausch durch und berechne jährliche Treibhausgas-Bilanzen. Veränderungen von Wasserqualität und Biodiversität werden vom Fachbereich „Raum- und Umweltwissenschaften“ der Universität Trier und vom Institut für Umweltplanung der Leibniz Universität Hannover untersucht. Das Institut für Pflanzenbau und Bodenkunde des Julius Kühn-Instituts erhebt pflanzenbauliche Daten und wertet diese aus, um zukünftige Anbauverfahren zu verbessern.
Aus den nachwachsenden Rohstoffen – Rohrkolben und Schilf – sollen Dämmmaterialien und Torfersatzstoffe entwickelt werden. Um die Produktketten kümmert sich das 3N Kompetenzzentrum im Verbund mit der Jade-Hochschule Oldenburg, der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe und der Floragard Vertriebs GmbH. Im Rahmen des Vorhabens hat das Fraunhofer Institut für Bauphysik gemeinsam mit dem Unternehmen Typha Technik eine Dämmstoffplatte aus Rohrkolben entwickelt. „Wir rechnen damit, dass wir Ende 2023 die ersten Ernten einfahren können“, sagt Dr. Jens-Uwe Holthuis vom 3N Kompetenzzentrum. „Wir wollen zeigen, dass Paludikultur eine moor- und klimaschonende Alternative zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung von Moorböden ist. Außerdem möchten wir rechtliche und technische Hürden beseitigen und Wege finden, wie die erzeugten Produkte sinnvoll vermarktet werden können.“
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